Villa Boué, Villa Steiger
Oberkirchengasse 1
Infos
1844 erbaut, Baumeister/Architekt unbekannt
Besitzer: Eleonore Boué (1844-1887), Emil & Elisabeth Steiger (1932-1941)
Ami & Eleonore Boué
Graf Moritz II. von Fries schenkte 1843 Ami Boué und seiner Frau ein Grundstück im Ausmaß von „...800 Quadratklafter mit einigen alten Eichen und Föhren [...] und wir bauten dort ein ebenerdiges Haus, wie es der Graf in seiner Schenkung ausbedungen hatte. 1844 gestalteten wir es zu einem einstöckigen Haus um [...] mit einer großen Veranda, mit andern Worten: mit einem Balkon auf türkischer Art.“
Der bekannte Geologe Ami (Amadeus) Boué wurde 1794 in Hamburg geboren. Er studierte Medizin in Edinburgh, sein Interesse wurde jedoch bald auf die Geologie gelenkt. Mit seinem großen Vermögen, welches ihm sein Großvater hinterlassen hatte, war ihm „für das ganze Leben ein Wohlstand gesichert [...]“ und es ermöglichte ihm zahlreiche Studienreisen zu unternehmen. Boué gilt als Pionier der geologischen Forschung.
Ami Boué heiratete 1826 Eleonore Beinstingel, die Ehe blieb kinderlos. Nach unzähligen Reisen durch Europa wurde er 1841 in Wien sesshaft und kam zum ersten Mal nach Vöslau. Hier erbaute er die „Villa Boué“. Ami erreichte das hohe Alter von 87 Jahren und starb am 21. November 1881 nach langer Krankheit in Wien, begraben liegt er in einer Gruft am Vöslauer Friedhof. Seine Frau starb sechs Jahre nach ihm und ist ebenfalls in der Gruft begraben.
Emil Steiger
1932 entschied sich Emil Steiger die Villa käuflich zu erwerben. Der aus Mähren stammende Steinbildhauer, spezialisiert auf Grabsteine, kam schon seit 1911 regelmäßig mit seiner Frau Elisabeth und seinen drei Töchtern Margarete, Erika und Zita nach Vöslau. Bis 1938 verbrachten sie ihre Sommermonate in ihrer „Villa Steiger“. Im Herbst 1938 flüchtete Emil mit seiner Familie – mit Ausnahme der ältesten Tochter Margarete – nach Prag, wo sie sich kurzfristig in Sicherheit wähnten. Ein Jahr später marschierte dann auch dort die deutsche Wehrmacht ein.
Emils Tochter Erika heiratete 1941 kurz vor ihrer Deportation nach Theresienstadt den aus Polen stammenden Komponisten, Dirigenten und Pianisten Karl Taube (1897-1944). Beide zählten zu den bekannten Persönlichkeiten des Theresienstädter Kulturlebens. Erhalten blieb das von ihr verfasste „Theresienstädter Skizzenbuch. Gedanken im Ghetto“, eine kleinformatige Broschüre mit 52 Gedichten und fünf Zeichnungen. Ihre Gedichte beschrieben unter anderem die Vertreibung aus der Heimat, das Zusammenleben vieler Menschen in Gefangenschaft und die Frage nach einem Ausweg. Einige dieser Gedichte wurden von ihrem Mann vertont. Im Sommer 1942 waren auch Erikas Eltern Emil und Elisabeth Steiger sowie ihre Schwester Zita Hofmann nach Theresienstadt deportiert worden. Während Emil Steiger 1943 im Lager verstarb, wurde Erika Taube 1944 gemeinsam mit ihrem Mann, ihrer Mutter und ihrer Schwester Zita nach Auschwitz transportiert. Alle kamen dort ums Leben.
Die einzig Überlebende der Familie Steiger war Margarete (verehelichte Beer). Sie konnte zusammen mit ihrem Mann Österreich rechtzeitig verlassen und floh nach Israel. Nach dem Krieg kehrten sie wieder nach Österreich zurück. Hier kämpfte Margarete um die Rückstellung der Familienvilla in Vöslau. Bis zu ihrem Tod 2002 blieb diese in ihrem Besitz.